Mit recyceltem Gips zu einem nachhaltigen europäischen Bauwesen

European Parliament Gypsum Forum, 16.10.2013, Brussels/Belgium
Das alljährliche Gipsforum des Europäischen Parlaments fand am 16.10.2013 in Brüssel statt. Es war eine gute Möglichkeit, die Ziele und einige erste Ergebnisse des LIFE Umweltprojekts „Gips zu Gips“ (GtoG) zu präsentieren. Dieses Projekt wird von Eurogypsum geleitet, dem europäischen Dachverband der nationalen Verbände der Hersteller von Gipsprodukten. Ziel des Forums ist es, den Dialog zwischen einem breiten Bereich von Interessenvertretern zu fördern, um für ein nachhaltiges Bauen in Europa zu werben. Produkte der Gipsindustrie machen ca. 1 % des gesamten Bau- und Abbruchabfalls aus. Das Projekt GtoG („Von der Produktion zum Recycling – eine Kreislaufwirtschaft für die europäische Gipsindustrie zusammen mit dem Industriezweig Abriss und Recycling“) hat sich vorgenommen, den Markt für gipshaltige Bauabfälle umzugestalten. Das Ziel ist, höhere Gips-Recyclingquoten zu erreichen, was ein bedeutsamer Schritt in Richtung einer ressourceneffizienten Wirtschaft wäre.

Die etwa 100 Teilnehmer setzten sich u.a. aus Entscheidungsträgern der europäischen Gipsindustrie, Vertretern des Verbands der Europäischen Bauindustrie (FIEC), Mitgliedern des Europäischen Parlaments und Vertretern der Europäischen Kommission sowie weiterer interessierter Kreise zusammen. Das Gipsforum findet alljährlich als Dialog vieler Interessenvertreter statt, um nachhaltiges Bauen in Europa zu stärken, und sieht sich selbst als permanente Denkfabrik, die sich der Entwicklung von Visionen für nachhaltiges Bauen und dem Immobiliensektor widmet.

Das Thema des diesjährigen Gipsforums lautete „Die Megatrends im Bauwesen: die drei R – Renovierung (Instandsetzung), Ressourceneffizienz, Recycling“. Jean-Paul Gauzès, Mitglied des Europäischen Parlaments und Vorsitzender des EP-Gipsforums, begrüßte die Teilnehmer und betonte die Notwendigkeit der Stärkung einer Verschiebung in Richtung nachhaltiges Bauen. Obwohl Gipsprodukte unbegrenzt und komplett recycelbar sind, werde nur ein kleiner Prozentsatz in Europa zurückgeführt. Gebäude würden immer noch abgerissen und nicht sortenrein rückgebaut, was eine Weiterverwendung des Gipsabfalls behindere. Die EU habe sich jedoch das ehrgeizige Ziel gesetzt, 70 % des nicht-gefährlichen Bau- und Abbruchabfalls zu verwerten und damit ein umweltorientiertes öffentliches Beschaffungswesen zu fördern.

Es folgten Präsentationen von Carlo Pettinelli, Direktor für „Nachhaltiges Wachstum und die EU 2020“ innerhalb der EU-Kommissions-Generaldirektorats „Unternehmen und Industrie“, zum Thema „Bauen für Wachstum“; Paul Rübig (Mitglied des EP) zum Thema „Rohstoffe im Bauwesen“ und Heide Rühle (Mitglied des EP) zum Thema „Stärkung des umweltorientierten öffentlichen Beschaffungswesens“.

Prof. Dr.-Ing. Gerd Simsch, Geschäftsführer von Bilfinger Bauperformance GmbH, begann mit der Abhandlung der ersten zwei R des Hauptthemas – Renovierung und Ressourceneffizienz – indem er die Vision eines Bauunternehmers beschrieb. Der Fokus seiner Ausführungen lag besonders auf den großen Trends in der Bau- und Immobilienwirtschaft im Zusammenhang mit nachhaltigem Bauen.

Prof. Dr.-Ing. Karsten Tichelmann von der TU Darmstadt, Fachbereich Architektur, beschrieb die Vision eines Architekten, während Thierry Roche den Zuhörern eine andere Vision eines Architekten mit der „Cité de l’environnement“ (Stadt der Umwelt) in Lyon/Frankreich präsentierte.

José Blanco, Generalsekretär des Europäischen Abbruchverbands (European Demolition Association EDA), befasste sich mit dem Recycling (dem dritten R) und der Vision des EDA, während William Neale, Mitglied des Kabinetts von EU-Umwelt-Kommissar Janez Poto ˇc nik, eine Präsentation zu nachhaltigen Gebäuden vorlegten.

Jean-Yves Burgy, Geschäftsführer von Recovering SARL, einem Partner des LIFE Projekts, berichtete den Delegierten, dass das Team GtoG bereits eine Marktanalyse zur Abbruchtechnik und zum Status des Gipsrecycling in acht Ländern der EU durchgeführt habe, nämlich in Belgien, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Polen, Spanien, den Niederlanden und Großbritannien. Die Ergebnisse zeigen, dass in ganz Europa Recycling vorteilhafter ist als Deponierung. In seiner Präsentation führte er aus, dass „es zwar Demontagepraktiken gibt, aber nicht in ganz Europa, und dass die Bestimmungen der EU nicht in harmonisierter Weise durchgesetzt werden, die die örtlichen Gegebenheiten und Interessen berücksichtigt“.

Gips wird in der EU im Bauwesen weitverbreitet eingesetzt. Mehr als 1600 Mio. m2 Innenflächen werden jährlich in Europa mit Gipsplatten bedeckt. Mehr als 5 Mio. t Putzgips werden pro Jahr in Europa auf Innenflächen verarbeitet, und mehr als 20 Mio. m2 Innenwände werden jährlich in Europa mit Gipsplatten getrennt. Etwa 100 000 Menschen in der EU sind direkt oder indirekt abhängig von einer Beschäftigung in der Gips- bzw. Anhydritindustrie.

Nach dem offiziellen Abschluss des Forums setzte sich die Veranstaltung in verschiedenen kleineren Gesprächskreisen fort, bei denen es vor allem um die praktische regionale Umsetzung der zuvor im Plenum behandelten Themen ging. So trafen sich etwa Vorstandsmitglieder des Bundesverbandes der Deutschen Gipsindustrie e.V. (BV Gips) mit einer Reihe von Gästen aus Politik und Wirtschaft zu einem ausgedehnten Round-Table-Gespräch. Auch hier spielte die Machbarkeit der EU-Vorgaben die Hauptrolle. Daneben ging es jedoch auch um generelle Themen der deutschen Bauwirtschaft, denn neben Günther Hoffmann, Ministerialdirektor und Leiter der Abteilung Bauwirtschaft im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), waren auch Spitzenvertreter aller großen in Deutschland und Österreich tätigen Unternehmen der Gipsindustrie anwesend.

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