„Der Markt für Gipskartonplatten wird ­weiter wachsen“

EUROPEAN GYPSUM ASSOCIATION
Maurizio Casalini, Geschäftsführer von Knauf Italien, ist der neue Präsident des Europäischen Gipsverbandes. Seine Wahl wurde auf dem 29. Eurogypsum-Kongress, der am 10./11. Mai 2012 in Krakau/Polen stattfand, bekannt gegeben. Die Veranstaltung, die unter dem Motto „Gips ist ein Kernstück einer nachhaltigen und ressourceneffizienten Umwelt“ stand, war bot für die ZKG eine ausgezeichnete Möglichkeit, Casalini nach seinen Plänen und Visionen bezüglich seiner zweijährigen Amtszeit zu befragen.
ZKG: Herr Casalini, Sie sind der neue Präsident von ­Eurogypsum. Werden Sie die Arbeit Ihres Vorgängers ­fortsetzen? Gibt es irgendwelche Veränderungen oder Verbesserungen auf Ihrer Tagesordnung?
Maurizio Casalini: Natürlich werde ich die Arbeit meines Vorgängers fortsetzen und intensivieren. Was die Kontinuität betrifft, werden wir uns darauf konzentrieren, die Wettbewerbsfähigkeit der Gipsindustrie in Bezug auf die Durchsetzung des Emissionshandelssystems (ETS) für alle Baustoffe im Zeitraum 2015-2019 aufrechtzuerhalten. Ich werde mich weiterhin stark dafür einsetzen, für REA-Gips auf europäischer Ebene den Status eines Nebenprodukts zu erlangen und das Recyclingprojekt durchzuführen, wenn es von der Kommission mitfinanziert wird. Ich werde auch Impulse geben für das Projekt der Artenvielfalt von ­Eurogypsum und für die Analyse der Probleme der Wohnraumluftqualität, luftdichter Gebäude und von Gipsprodukten sowie der ­Frage der Erdbeben­sicherheit nichttragender Bauteile.

Was die Intensivierung angeht, werde ich während meiner Präsidentschaft den Schwerpunkt auf Kommunikation, Empfehlungen und die Erhöhung des Marktanteils von Gipsprodukten im Vergleich zu anderen Bauprodukten legen. Daher werde ich über das Forum Europäisches ­Parlament Zugangsdaten der Gipsindustrie einem weiteren Kreis verfügbar machen, um den Trend in Richtung nachhaltiges Bauen und nachhaltige Bausys­teme für eine gesunde Umwelt zu stärken.


ZKG: Welche Fortschritte bzw. zukünftigen Pläne können Sie hinsichtlich der Rohstoffsituation erkennen?
Maurizio Casalini: Wir meinen, dass die Strategie der EU zur Artenvielfalt eine Möglichkeit für die Industrie darstellt, ihre Potentiale bei der Wiedernutzbarmachung von Steinbrüchen und der Förderung der Artenvielfalt einzubringen. Eine weitere Verbesserung unseres Fußabdrucks bezüglich der Artenvielfalt in Gebieten von Natura 2000 und solchen, die nicht zu Natura 2000 gehören, wird die Genehmigungsverfahren für den Zugang zu lokalen Gipsvorkommen erleichtern.

Abgebauter Gips ist eine natürliche Ressource. Wir betrachten es als unsere Pflicht, eine verantwortliche Haltung zum Umgang mit dieser Ressource einzunehmen. Viele Jahre lang haben sich Gipsproduzenten bemüht, erschöpfte Gipstagebaue wiederherzustellen durch Schaffung einer natürlichen Landschaft und durch Rekultivierungsmaßnahmen in einem Teil des Steinbruchs, während in anderen Teilen der Abbau in vollen Zügen weitergeht. 2010 veröffentlichte Eurogypsum seine bewährten Methoden bei der Wiedernutzbarmachung von Tagebauen in ganz Europa einschließlich Aspekten zur Artenvielfalt. Dennoch sind wir uns bewusst, dass wir die Artenvielfalt und den Umgang mit ihr beim Betreiben unserer Steinbrüche verbessern können.


ZKG: Wie wollen Sie das machen?
Maurizio Casalini: Über ein Managementsystem für die Tagebaue einschließlich der Messung der Artenvielfalt. Dieses System muss ein vorher definiertes Ökosystem, d. h. Steinbruch und benachbartes Gebiet, beinhalten, denn damit kann die Wertschöpfung eines Steinbruchs in einem Ökosystem aufgezeigt werden.

Dem sollten weitere Schritte für neue und vorhandene Tagebaue folgen, und zwar in allen Gebieten, nicht nur in denen von Natura 2000.

Da ist zunächst der Ausgangspunkt – die Analyse der Umweltverträglichkeitsprüfung (EIA) sowie Untersuchungsmethoden. Das Tool ist verfügbar und wird in großem Maßstab in ganz Europa eingesetzt. Die nationalen Umweltbehörden und Firmen sind damit vertraut. Das ist eine Wertschöpfung für die Integration in die EIA-Bewertung und Messung der Artenvielfalt. Bei vorhandenen Steinbrüchen wird die EIA für die nächsten Schritte neu bewertet.

Die nächsten Schritte wären die Anfangsbeurteilung der Artenvielfalt des Ökosystems mit einer Definition des von diesem System erfassten Gebiets, die Bewertung der unterschiedlichen Umweltbelastungen bei zukünftigen oder bestehenden Abbauaktivitäten im örtlichen Ökosystem sowie die Kontrolle des Umgangs mit den wichtigen Leistungsindikatoren (KPIs) durch kompetente nationale Behörden, die für Abbaugenehmigungen zuständig sind.

Es gibt natürlich noch eine Menge von Unterschritten, die zu erwähnen wären, aber es würde zu lange dauern, sie aufzuzählen. Wichtig ist, dass Eurogypsum diese Aufgabe in drei vorhandenen Steinbrüchen in drei Ländern (Deutschland, Frankreich, Spanien) anpacken wird. Wir werden Ihnen die Ergebnisse mitteilen.


ZKG: Haben Sie eine Vorstellung, wie das Emissionshandelssystem in Zukunft die Gipsindustrie beeinflussen wird?
Maurizio Casalini: Wir wollen mit unseren direkten Konkurrenten auf Augenhöhe bleiben. Wenn wir 2012 den Carbon-Leakage-Status erhalten, wird das nur für zwei Jahre sein (2013–2014). Für den Zeitraum 2015 bis 2019 wird die Kommission die Sektoren in der Carbon-­Leakage-Liste nach neuen Kriterien bewerten, die 2013–2014 aufgestellt werden. Eurogypsum muss dafür sorgen, dass unsere Industrie für den Zeitraum 2015–2019 in der Liste bleibt. Das ist eine wichtige Zielstellung für meine Präsidentschaft.


ZKG: Wie wird sich die Situation der Gipsindustrie im Weltmaßstab entwickeln?
Maurizio Casalini: Vor ungefähr 30 Jahren repräsentierte Nordamerika etwa die Hälfte des Markts für Gipswandplatten. In Europa und zunehmend im Rest der Welt wurden jedoch Gipskartonplatten immer populärer, obwohl die Marktdurchdringung mit Gipskartonplatten immer noch sehr gering ist im Vergleich zu konventionellen Baumethoden in Europa. Der am meisten entwickelte Markt ist Großbritannien mit einer Marktdurchdringung von 43 %. Generell ist zu sagen, dass der Nichtwohnungsbau der Einstieg von Gipskartonplatten in einen neuen Markt ist. Der vorhandene Gebäudebestand in Europa ist beachtlich, und daher wird sich der Renovierungssektor weiter entwickeln und damit auch der Einsatz von Gipskartonplatten für Rekonstruktionen. Neubauten aller Arten könnten auch in den nächsten Jahren in Nordamerika wie in Europa abnehmen.

Es gibt keinen Zweifel, dass der Markt für Gips­kartonplatten in den nächsten Jahren nicht mit der gleichen Geschwindigkeit wie in den letzten Jahren wachsen wird. Er wird zwar weiterhin wachsen, aber die Zentren verlagern sich von Nordamerika und Europa in die übrige Welt.


ZKG: Was ist Ihre Vorhersage oder Vision bezüglich der europäischen Gipsindustrie 2050?
Maurizio Casalini: In den letzten 30 Jahren haben Gipskartonplatten beträchtliche Änderungen erfahren. Zunächst ist das Gewicht geringer geworden. Das könnte sich auch in der Zukunft fortsetzen, und bis 2025 sollte das Gewicht der Platten noch weiter abnehmen, die auf dem Renovierungsmarkt verkauft werden. Außerdem haben wir die Stoßfestigkeit von Gipskartonplatten verbessert, so dass sie heute die von Ziegeln erreicht. Wir freuen uns auch auf die Einführung von Spezialplatten mit verbesserten Leistungseigenschaften über das hinaus, was wir mittlerweile von herkömmlichen Gipskartonplatten erwarten. Erste Verbesserungen wurden bei der Feuer- und Feuchtebeständigkeit erreicht. Es folgten eine reduzierte Rauchentwicklung, Durchbiegefestigkeit, Regallagerungs- und Formbeständigkeit, Fehlbehandlungswiderstand, Abriebfestigkeit, Strahlungsheizung, Stoßfestigkeit, Flexibilität, Widerstandsfähigkeit gegen äußere Wettereinflüsse und Formaldehydabsorption. Es gibt viele Gründe, diesen Trend fortzusetzen in vielen Bereichen einer verbesserten Leistungsfähigkeit, da neue Kenntnisse zu Verbundstoffen bei diesem preisgünstigen Baustoff Anwendung finden.


ZKG: Bedeutet das, dass es eine Vision in der Gipsindustrie gibt?
Maurizio Casalini: Es gibt einen klaren Trend zum Wachstum von „grünen“ Bauprodukten und Systemen auf der Grundlage einer verbesserten Gipstechnologie und -technik. Die Gipsindustrie wird immer mehr garantierte Systeme anbieten, als eine Massenware zu verkaufen. Daher entwickelt unsere Industrie zur Zeit eine Erklärung zu umweltfreundlichen Anlagen. Die Verfügbarkeit von Gipskartonplattensystemen und -produkten ist nur ein vor kurzem entstandenes Phänomen. Die Lieferer von heutigen Bauprodukten haben Zugang zu den Märkten. Mit einer leicht verfügbaren Technologie werden sie weiterhin den Markt mit modernen Gipsprodukten erobern. Wenn sich der Markt stabilisiert, wird es jedoch eine zunehmende Nachfrage nach Leistungsgarantien und leistungsbezogenen Lösungen geben.


ZKG: Herr Casalini, danke für das Interview.

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