Verstärktes Interesse am Baustoff Gips in Russland
5. Internationale Gipskonferenz des russischen Gipsverbandes, Kasan/Russland (08.-10.09.2010)
Vom 08.-10.09.2010 fand die 5. Internationale Gipskonferenz in Kasan/Russland, veranstaltet vom Russischen Gipsverband, statt. Den Organisatoren um Juri Gontscharov (Vorsitzender des Gipsverbandes) und Prof. Dr. Burjanov (Tagungssekretär) ist es gelungen, nahezu alle Produzenten von Calciumsulfatbindemitteln Russlands für diese Tagung zu interessieren (Bild 1). So waren neben den größeren Unternehmen auch Fachleute von kleineren Betrieben präsent. Insgesamt nutzten ca. 250 Tagungsteilnehmer aus 17 Ländern diese hervorragende Möglichkeit, um neue Kontakte zu knüpfen oder bestehende auszubauen (Bild 2).
Die außergewöhnlich große Resonanz der Konferenz spiegelte sich auch in einem breiten Vortragsprogramm wider. Ca. 40 der im Konferenzband abgedruckten Beiträge (fast ausschließlich in russischer Sprache) wurden vorgetragen. Schwerpunkte dabei bildeten:
– Wirkungsweise der Zusatzmittel beim Hydratationsprozess,
– modifizierte Gipsbindemittel und calciumsulfathaltige Bindemittelsysteme,
– Bauteile auf Basis von Calciumsulfaten und Bauweisen,
– Verwertung von Reststoffen bei der Produktion von Calciumsulfatbaustoffen.
Dem einleitenden Vortrag von Herrn Jasko zum Baugeschehen in der Republik Tatarstan schlossen sich mehrere Plenarvorträge an. Über allgemeine internationale Entwicklungstendenzen und spezielle Besonderheiten für den Bereich der Calciumsulfatbaustoffe in Tatarstan berichtete Prof. Rakhimov (Bauuniversität Kasan). Im Mittelpunkte des Vortrages von Prof. Jakowlew (Universität Izhewsk) standen Leichtbaustoffe auf der Basis von synthetischem Anhydrit. Dieses Beiprodukt bei der Flusssäureproduktion wird bisher in Russland kaum verwendet. Daher lassen sich auf seiner Basis kostengünstige Produkte herstellen. Als Leichtzuschlag kam Polystyrol zur Anwendung. Die Verwendung von synthetischem Anhydrit zur Herstellung von Estrichflächen führt mitunter zu erheblichen unterschieden in deren Festigkeit. Dr. Fischer (Bauhaus-Universität Weimar) zeigte mögliche Ursachen hierfür auf und belegte dies durch spezielle Untersuchungsergebnisse. Klimenko (Bauuniversität Belgorod) untersuchte Möglichkeiten der Aktivierung von unlöslichem Anhydrit. Besonders geeignet ist hierfür teilentwässerter Naturgips mit einem Gehalt an Kristallwasser von 3,5 %. Im Rahmen dieser Arbeit wurden auch verschiedene wasserhaltige Calciumsulfatphasen diskutiert. Gips-Zement-Puzzolan-Bindemittel spielten in den Betrachtungen von Prof. Korovjakov hinsichtlich der Erhöhung des Bautempos eine wichtige Rolle. In diesem Zusammenhang wurden Wege der Erhöhung der Wasserbeständigkeit der Calciumsulfatbaustoffe erörtert.
Auch im weiteren Vortragsprogramm fanden sich interessante Themen. So sprach Dr. Müller (Sika) über PCE-Fließmittel. Deren Besonderheit besteht darin, dass sie bindemittelspezifisch entwickelt wurden und sich an werksspezifischen Besonderheiten (Gipsrohstoffe, Herstellungsverfahren, Verträglichkeit mit anderen Zusätzen) orientieren. Fließmittel spielten ebenfalls in den Vorträgen von Vasilik (EvroChim-1), Belotto (Bozzetto-Gruppe) und Dolgorev (Institut Dubna) eine Rolle. So im Bezug auf differenzierte Auswirkungen auf die Festigkeitsentwicklung bei Calciumsulfatbindemitteln (Dolgorev) bzw. modifizierten Bindemittelsystemen (Vasilik). Auswirkungen fein gemahlener Zusatzstoffe in Trockenmörtel auf Calciumsulfatbasis zeigte Prof. Pustovgar (Bauuniversität Moskau) auf. Betrachtungen zur Morphologie der Gipskristalle spielten in weiteren Tagungsbeiträgen eine nicht unbeträchtliche Rolle. So im Zusammenhang mit rheologischen Eigenschaften bei Förthner (Knauf) oder durch den Einfluss von Zusatzmitteln bei Hartmann (Bauhaus-Universität Weimar).
Einen weiteren Schwerpunkt bildeten Vorträge der Hersteller von maschinentechnischen Ausrüstungen. Dem zahlreichen Publikum konnten neue bzw. modifizierte Technologien vorgestellt werden. Von besonderem Interesse war ein von der Firma Claudius Peters vorgestellter „Homogenisator“, der einerseits durch Nutzung der Abluft aus der Calcinierung eine Produktvergleichmäßigung und Reduzierung des Restdihydrates erzielt und andererseits eine künstliche Alterung des Stuckgipses und somit stabile Verarbeitungseigenschaften bewirkt. Seitens der Gebr. Pfeiffer AG wurde schwerpunktmäßig über Walzenschüsselmühlen berichtet. Insbesondere wurden unterschiedliche Leistungsparameter erläutert. Im Mittelpunkt eines Beitrages der Firma Erisim Makina Ltd. (Ankara/Türkei) standen neue technologische Lösungen bei der Herstellung von Gipsbindemitteln und Trockenmörtel. „Pucchini Industria“’ berichtete über Anlagen zur Herstellung von Gipswandbauplatten. Augenmerk wurde hierbei auf die Platte mit der Bezeichnung Rapid Muro gelegt, die bei einem Hohlraum von 48 % ein Gewicht von 48 kg/m2 aufweist. Aber auch russische Anlagenbauer haben während der Tagung für ihre Produkte geworben („Strommaschina“ - Samara, „Ventprom“ - Artjomovsk).
Mit einer derartig großen Anzahl von Vortragswünschen hatte selbst der Veranstalter nicht gerechnet. Daher musste die Zeiten für Anfragen stark eingeschränkt werden. Das tat dem Meinungsaustausch allerdings keinen Abbruch, da in den Pausen, beim Empfang sowie während der Fachexkursionen ausreichend Zeit für Diskussionen vorhanden war. Das Rahmenprogramm mit der Besichtigung einer Gipswandbauplattenproduktion sowie des unterirdischen Gipsabbaus mit anschließender Schifffahrt auf der Wolga fand bei den Tagungsteilnehmern regen Zuspruch (Bild 3). Die offerierte herzliche Gastfreundschaft durch die ansässigen Gipsunternehmen “Altyn“ mit Herrn Abdullin, “Araktschinskij Gips“ mit Herrn Galijew sowie “Kamsko-ustjinskij gipsovyj rudnik“ mit Herrn Achmetschin an der Spitze war jederzeit spürbar. Anzahl und Inhalt der wissenschaftlichen Vorträge zeigten deutlich, dass sich in Russland ein verstärktest Engagement auf dem Gebiet der Erforschung des Baustoffs Gips etabliert hat. Die europäischen Anlagen- und Zusatzmittelproduzenten konnten sich in gewünschter Weise dem russischen Markt vorstellen. Für diese insgesamt sehr gelungene Konferenz gebührt dem Veranstalter (hier insbesondere Prof. Dr. Burjanov) sowie der gastgebenden Universität für Architektur und Bauwesen Kasan um Prof. Dr. Rakhimov hohe Anerkennung und der besondere Dank aller Tagungsteilnehmer. Kasan war in jeder Hinsicht eine Reise wert! Die nächste Tagung wird voraussichtlich 2012 stattfinden.
Weitere Informationen über den Verband der Gipsindustrie Russland unter: www.rosgips.ru