Härtetest mit fliegenden Fahnen bestanden

ENDRESS + HAUSER

1 Einleitung

In der Schüttgutverarbeitenden Industrie werden die Rohstoffe in der Regel vor der Verarbeitung oder als Fertigprodukt in Silos gelagert. Eine fortlaufende Erfassung der Bestände in Form einer kontinuierlichen Füllstandmessung ist dabei aus logistischen oder produktionstechnischen Gründen in der Regel erforderlich.

Im Schüttguthandling ist die Messtechnik immer wieder eine Herausforderung, auch bei mineralischen Schüttgütern. Hier wird robuste Technik benötigt, da zum einen die Produkte grobkörnig bzw. abrasiv oder aber sehr fein sind und damit zu hoher Staubentwicklung neigen. Es gibt verschiedene technologische Ansätze der Messtechnik, um in dieser rauen Umgebung plausible Messergebnisse zu schaffen.

 

2 Berührungslos und sicher

Die frei abstrahlende Radar-Messtechnik hat sich in letzter Zeit als moderne Technologie neben der bewährten Ultraschalltechnik positioniert. Der Vorteil der frei abstrahlenden Messtechnik liegt im berührungslosen Erfassen des Schüttguts. Die Sensoren kommen nicht mit dem Medium Schüttgut in Berührung, was jedoch zu einigen anderen Herausforderungen führt, die es zu lösen gilt. Das Messgerät selbst erhält eine Vielzahl von ausgesendeten Informationen in Form von Reflexionen zurück, sei es von Einbauten, Anbauteilen oder Behälterwänden. Daraus resultiert nun die Aufgabe, das richtige Füllstandsignal zu detektieren. Damit aus der Vielzahl an Signalen jenes für den korrekten Füllstand erkannt wird, muss man die Fokussierung des Messgerätes erhöhen. Dies wird mit einem kleineren Abstrahlwinkel der Antenne erreicht. Neben diesem Ansatz hat sich Endress + Hauser dazu entschieden, die Auswertung der Signale noch intelligenter zu gestalten.

Für den Betreiber sind sichere und plausible Messwerte die Basis seiner Automationstechnik. Der Micropilot FMR 56/57 mit seinem Multi-Echo Tracking hat daher neue innovative Auswertealgorithmen, die jedes Echosignal bewerten und den Signalverlauf verfolgen. Alle Echosignale werden zunächst unter Berücksichtigung der Kurz- und Langzeithistorie markiert. Dazu zählen z.B. der Füllstand und die Störechos, die durch Einbauten oder Doppelechos verursacht werden. Anschließend werden diese Echos verfolgt und einer Plausibilitätsprüfung unterzogen. Dank der neuen Auswertung und der selbstlernenden Algorithmen wird das Füllstandsignal auch dann erfasst, wenn es unter der Ausblendung liegt. Eine sichere und präzise Messung ist somit auch bei starken Reflexionen im Silo jederzeit gewährleistet.

Das frei abstrahlende Radar Micropilot von Endress + Hauser gibt es in sieben verschiedenen Ausführungen, zwei davon für den Bereich der Schüttgüter. Der Micropilot FMR 56 stellt das wirtschaftlich attraktive Basisgerät dar, der Micropilot FMR 57 hingegen ist für höchste Ansprüche in pulverförmigen bis stückigen Schüttgütern angedacht.

 

3 Mit der Antenne in die Kammer

Im Fertigbetonwerk Karlsruhe von HeidelbergCement war die bestehende Messtechnik im Mehrkammersilo zu ersetzen. Mit der alten Messtechnik wurde neben der kontinuierlichen Erfassung der einzelnen dreieckigen Kammern auch eine Meldung des maximalen Füllstands realisiert. Um elektrisch wie auch mechanisch so wenig Aufwand wie möglich zu betreiben, wurde das neue frei abstrahlende Radar Micropilot FMR 56 mit dem Prozess- transmitter RMA 42 und separater Anzeige in einer Tafel für den Anlagenfahrer eingebaut.

In den sieben Kammern des Mehrkammersilos werden die verschiedenen Fraktionen der Zuschlagsstoffe gelagert. Die Korngröße der Zuschlagstoffe reicht von nahezu 0 mm bis 16 mm. Die einzelnen Kammern haben eine Höhe von 7,8 m und werden bis zu einem Füllstand von ca. 6,6 m gefüllt. Bedingt durch die Silokonstruktion sind die Kammern konisch, die Wände weisen teilweise Verstärkungsrippen auf, so dass die Messtechnik sehr gefordert ist, plausible Messwerte zu ermitteln.

In dieser Applikation wurden die Micropilot FMR 56-Radarsensoren jeweils mit einer Hornantenne DN 100 ausgerüstet, die einen stärkeren Fokus ermöglichen – der Abstrahlwinkel beträgt nur 8 Grad. Damit ließ sich über einen Zwischenflansch sogar der bisherige Einbauort der alten Messtechnik nutzen.

Bei einigen Kammern lag der Einbauort dagegen direkt neben der Befüllung. Das neue Messverfahren hat hier den Vorteil, dass es unempfindlich auf die Nebengeräusche des herabfallenden Materials in ein leeres Silo reagiert.

Bei maximalem Füllstand wird das analoge Signal durch den Mikrocontroller gesteuerten Prozess-Transmitter RMA 42 jeweils in das Statussignal des höchsten Grenzstandes umgewandelt. Dieses Signal dient als Überfüllschutz. Über jeweils einen Prozessanzeiger RIA 15, der in die 4–20 mA Stromschleife eingebracht wurde, zeigt das System dem Anlagenfahrer nun den jeweiligen Füllstand der einzelnen Kammern an. Der Prozessanzeiger benötigt keine Hilfsenergie, sondern wird direkt aus der Stromschleife gespeist.

Durch das Multi-Echo-Tracking des neuen frei abstrahlenden Radars konnte in diesen Kammern klar zwischen Mehrfachreflexionen und aktuellem Füllstand detektiert werden. Diese Technologie liefert dem Betreiber des Betonwerkes sichere Messwerte – auch unter rauen Einsatzbedingungen in schwierigen geometrischen Siloverhältnissen.

4 Sichere Messinformationen durch Multi-Echo Tracking

In einer anderen Applikation ist der kontinuierliche Füllstand in einem Zementsilo in einem Zementwerk zu erfassen. Das Silo ist aus Beton und hat eine Höhe von 26 m bei einem Durchmesser von 8 m. Die Befüllung erfolgt klassisch von oben über eine Luftförderrinne.

Wie oft in der Schüttgut verarbeitenden Industrie lassen sich die Forderungen nach einem optimalen Einbauort der modernen Messtechnik nur über erheblichen baulichen Aufwand realisieren. Die bisherigen Messsysteme hatten andere Rahmenbedingungen, so dass bei Nutzung des vorhandenen Stutzens durch die neue Messtechnik zusätzliche Anforderungen an die Signalauswertung gestellt werden – neben den Besonderheiten des Schüttschuttes. Bei frei abstrahlenden Messsystemen werden die reflektierten Signale vom Sensor ausgewertet; jedoch erhält der Sensor ein Signalbündel, dass Störsignale, Querechos über Reflektionen, Mehrfachreflexionen über die Behälterwand u.a. mehr enthält. Über eine Ausblendung in der Software werden diese Signale unterdrückt. Dies erfordert je nach Anwendung entsprechende Geschicklichkeit bei der Inbetriebnahme.

In dem Zementsilo wurde das frei abstrahlende Radar Micropilot FMR 57 mit einer Ausrichtevorrichtung eingesetzt. Mit dieser Halterung lässt sich der FMR 57 gegenüber der Vertikalen neigen, um somit einen besseren Empfang zu erhalten. Während der Inbetriebnahme sind nur noch wenige Parameter für den Grundabgleich einzugeben, wie z.B. der Silotyp, Befüllung/Entleerung langsam oder schnell. Den Rest erledigt die Software, die die optimalen Auswertealgorithmen errechnet.

 

5 Fazit

Das neue Multi-Echo Tracking konnte in diesem Betonwerk den Beweis antreten, auch unter schwierigen Bedingungen sichere Messinformationen zu liefern. So wurde der Füllstand trotz eines stärkeren Querechos immer sicher erkannt. Wegen der Störsignale wäre es mit herkömmlicher Auswerttechnologie hingegen zu Fehlmessungen gekommen. Damit haben die neuen Messgeräte der Familie Micorpilot FMR56/57 den Härtetest in der Schüttgutverarbeitenden Industrie bestanden und bieten Messsicherheit in Applikationen, die bisher nur schwierig zu lösen waren.

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