Perspektiven für die „Werkstoffe des Bauens“
Festveranstaltung zur Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Ludwig, Weimar/Deutschland (14.10.2010)
Im voll besetzten Saal des Congress Centrums „Neue Weimarhalle“ in Weimar hielt Univ.-Prof. Dr.-Ing. Horst-Michael Ludwig (Bild 1) am 14.10.2010 im Rahmen einer würdevollen Festveranstaltung seine Antrittsvorlesung. Er war zum 01. November 2009 zum Universitätsprofessor auf den Lehrstuhl „Werkstoffe des Bauens“ an die Bauhaus-Universität Weimar berufen worden. Als Nachfolger von Prof. Dr.-Ing. habil. Jochen Stark, den ersten Direktor dieses Institutes, bekleidet er seit dem 01.04.2010 das Amt des Direktors des F. A. Finger-Institutes für Baustoffkunde.
Begrüßt wurden die Anwesenden, darunter zahlreiche Amtsträger der Universität wie z. B. der Kanzler, Prof. Dr.-Ing. Heiko Schultz, der Dekan, Prof.-Dr. Ing. Hans-Joachim Bargstädt, der Prorektor Prof. Dr.-Ing. Karl Beuke und der Altkanzler Prof. Dr.-Ing. habil. Hans-Ulrich Mönnig von Dr.-Ing. Hans-Bertram Fischer. Dieser gab auch in einem „astrologischen Spaziergang“ auf ernst-amüsante Weise einen Abriss über die einzelnen Lebensstationen von Prof. Ludwig und konnte die Frage „Ist unser Leben wirklich vorherbestimmt?“ für diesen hervorragenden Experten der Bauwerkstoffe eindeutig mit „Ja“ beantworten.
Einführende Worte sprach Prof. Heiko Schultz, der dem Auditorium einen Einblick in die Historie der Bauhaus-Universität von der Gründung der einstigen Kunsthochschule (1860), des Bauhauses durch Walter Gropius (1919), der Bauhaus-Universität (1956) bis zur Gegenwart mit den vier Fakultäten Architektur, Bau-Ingenieurwesen, Gestaltung und Medien gab. Prof. Schultz gab seiner Freude darüber Ausdruck, dass die bevorstehende Antrittsvorlesung im 150. Jubiläumsjahr der Bauhaus-Universität stattfindet, zumal heutzutage Veranstaltungen dieser Art bedauerlicher Weise eine Seltenheit geworden sind. Man schätzt sich glücklich, in einem ausgewählten Verfahren mit Prof. Ludwig einen kompetenten Forscher und Hochschullehrer gewonnen zu haben, dessen Vorlesungen hoffentlich für viele Jahre ein Magnet für zahlreiche Studenten sein wird.
Gespannt lauschten die Gäste danach den Ausführungen von Prof. Ludwig, der zunächst das Institut für Baustoffkunde und dessen zukünftige Ausrichtung vorstellte. Es trägt den Namen des 1944 zum Professor für Baustoffkunde, Ingenieurbau und Statik berufenen F.A. Finger, der damit unter neuartigen zusammenfassenden Gesichtspunkten ein Lehrgebiet für Baustoffe aufbaute. Durch sein Wirken wurde 1953 an der Weimarer Hochschule eine Fakultät Baustoffkunde und Baustofftechnologie gegründet, an der eine einmalige Spezialausbildung auf diesem Gebiet erreicht wurde. 1995 wurde das F.A. Finger-Institut für Baustoffkunde gegründet. Es gehört zur Fakultät Bauwesen und wird seit 01.04.2010 von Prof. Ludwig geleitet. Neben den Lehrstühlen Werkstoffe des Bauens und Polymere Baustoffe sind die Lehrstühle Verfahrenstechnik und Recycling sowie Bauchemie geplant. Durch zahlreiche Forschungsprojekte auf den Gebieten Bauchemie, Beton, Alkali-Kieselsäure-Reaktionen, Gips und die übergreifenden Themen Bauwerksanalysen, Mineralogie, Putz-/Mörtel – neue Materialien für die Kunst, die zum Teil mit der Industrie gebunden sind, werden die benötigten finanziellen Mittel zum großen Teil selbst erwirtschaftet.
Es folgte die eigentliche Antrittsvorlesung „Werkstoffe des Bauens im 21. Jahrhundert“, wobei Prof. Ludwig postulierte, dass auch im betrachteten Zeitraum Beton mit dem Bindemittel Zement den Vorrang behalten wird. Immerhin werden heute weltweit 8 Mrd. m³ Beton verbaut, 1900 waren es nur 40 Mio. m³, ein Ende der Steigerung ist nicht abzusehen. Ausschlaggebend für dieses Primat ist allein der Preis, der Energieaufwand für die Herstellung ist im Vergleich zu anderen Baustoffen vertretbar. Dazu kommt Zement als Super-Bindemittelkleber. Das ist vor allem in der Struktur der CSH-Phasen begründet. Die Weltproduktion an Zement wird sich von 2005 bis zum Jahr 2050 verdoppeln.
Es schlossen sich Betrachtungen zu den folgenden Themenschwerpunkten an:
– Betonausgangsstoffe: Verfahrenstechnische Optimierung der Brennöfen und Mahlanlagen ist weitgehend abgeschlossen, Möglichkeiten werden bei der Mühlentechnik (z.B. Rührwerkskugelmühlen) und der Substitution fossiler Brennstoffe gesehen. Forschungsbedarf gibt es bei den Kompositmaterialien z.B. hinsichtlich der unterschiedlichen Eigenschaften, Dauerhaftigkeit, Verfügbarkeit, potenziellen Substraten wie aufbereitete Stahlwerksschlacken, Dolomitmehle, kalzinierte Tone, Reisschalenasche und Einsatz alternativer Bindemittel wie reaktive Alumosilikate, Sulfathüttenzement, Ca-Sulfoaluminat oder Belitzement
– Betonzusatzstoffe: Durch Einsatz von Polycarboxylaten sind durch den hohen Verflüssigungseffekt im Vergleich zu Ligninsulfonat viel höhere Frühhochfestigkeiten zu verzeichnen, Variation der Eigenschaften ist über die Kettenlänge möglich. Problematisch ist die Abhängigkeit der Wirkung vom jeweiligen Zement
– Betoneigenschaften: Von besonderem Interesse sind die Verarbeitbarkeit, Druckfestigkeit (Trend zu höheren Werten), Betone mit maßgeschneiderten Eigenschaften, Beeinflussung der Reaktionskinetik, synthetische CSH-Phasen als Keimbildner und die Dauerhaftigkeit (offene Probleme bei der Alkali-Kieselsäure-Reaktion (AKR), Entwicklung einer Klimawechsel-Lagerungskammer zur Simulierung der AKR-Schädigung durch Messung der Dehnung als Funktion der Zeit, effektive Schadensminimierung durch Hüttenzement – Verdünnungseffekt – oder Flugasche – Bindung von Alkalien in den CSH-Phasen).
– Moderne analytische Verfahren: Vorstellung aller am Finger-Institut eingesetzten Verfahren wie ESEM, NOVA Nano-SEM (Bild 2), Mikro-RFA, quantitative XRD, ICP-Geräte zur Bestimmung von Porenlösungen, thermodynamische Modellierung.
In seinem Ausblick vermittelte Prof. Ludwig dem Auditorium die Perspektiven für die Werkstoffe des Bauens, die er in folgenden Themenschwerpunkten zusammenfasste:
– Herstellung CO2-armer Zemente
– Recyclingfähigkeit von Baustoffen
– Umweltverträglichkeit
– Nachhaltigkeit
– Multifunktionalität des Zements (Wärmedämmung, Selbstreinigungsfähigkeit, geschaltete Hydratationsvorgänge)
– Minimierung der Stahlbewehrung durch Textilien oder andere Werkstoffe
– Multifunktionale Werkstoffe (z.B. TiO2 als Photokatalysator)
– Zeitlich steuerbare Erstarrungs- und Erhärtungsvorgänge.
Eine Vielzahl von interessanten Forschungsfeldern, die nicht nur in den Vorlesungen von Prof. Ludwig ihren Niederschlag finden werden, sondern auch einer Vielzahl von Diplomanden und Doktoranden Themen für ihre Arbeiten liefern werden.