150 Jahre Ofenbau und 30 Jahre Maschinenbau

1 Einleitung

Die Fa. EBERHARDT GmbH beschäftigt sich seit ihrer Gründung als Gelbgießerei im Jahre 1860 mit der Entwicklung und Herstellung von Komponenten für die Zucker- und Soda-Industrie. Spezialisiert auf Kalkschachtöfen, Kalkmilch­anlagen und Abgasreinigungsanlagen gelang ihr mit der Integration des Know-hows und der Gründung des Geschäftsbereiches ­Schaffrath ein wichtiger Schritt in die Zukunft. 150 Jahre Erfahrung im Kalkschachtofenbau gepaart mit 30 Jahren erprobtem und bewährtem Maschinenbau für Beschickungs- und hydraulische Austragssysteme sind für Eberhardt die perfekte Basis für eine Vielzahl von Lösungsmöglichkeiten zur Modernisierung von bestehenden Kalkschacht­öfen – auch in der Kalk- und Baustoff-Industrie (Bild 1).

2 Kalkschachtöfen

Mit dem Markennamen Eberhardt wird heute hauptsächlich der Mischfeuerofen mit Koks- oder Anthrazitfeuerung verbunden. Dies ist zum Teil nachvollziehbar, da mehr als 400 mischgefeuerte Kalk­öfen von Eberhardt auf der ganzen Welt installiert sind. Die Limitierung auf Mischfeueröfen ist aber spätestens seit dem Jahre 2008 überholt. Zu diesem Zeitpunkt sind zwei gasgefeuerte Eberhardt ­Kalkschachtöfen vom Typ G 135 mit einer Tagesleistung von je 150 t/d Branntkalk in Betrieb gegangen [1]. Die damals ermittelten Betriebsdaten wurden bei der kürzlich durchgeführten Abnahme übertroffen und sind vom Kunden bestätigt worden (Tabelle 1). Die zeitliche Trennung von Inbetriebnahme und Abnahme sind sowohl dem Kampagnebetrieb der Rübenzucker-Industrie als auch den Gepflogenheiten des Ägyptischen Marktes geschuldet. Beide Öfen erfüllen die Kundenanforderungen nun bereits in der dritten Kampagne.

Parallel dazu sind zwei weitere Eberhardt Kalkschachtöfen Typ O 135 fertiggestellt worden und mittlerweile mit einer Leichtölfeuerung in Betrieb gegangen (Bild 2). Die bislang erreichten Betriebsdaten übertreffen die Erwartungen (Tabelle 1). Die hier gezeigten Betriebsdaten beider Fabriken beziehen sich auf einen Kalkstein mit 95  % CaCO3-Gehalt. Sobald die zentrale Versorgung mit Erdgas in dieser Fabrik gewährleistet ist, werden beide Öfen auf Erdgas umgestellt. Das notwendige Feuerungssystem ist bereits installiert. Bei einem Brennstoffwechsel von Öl auf Erdgas werden die Öl-Injektoren (Bild 3) in ihre seitliche Halterung an der Brennkammer geklappt und die Erdgas-Brennereinsätze mit ihrem Brennergehäuse eingeschoben . Der Hauptbrenner wird mittels eines Pilotbrenners gezündet, welcher danach der Flammenüberwachung dient. Nach diesem Wechsel kann nach und nach jede Brennkammer mit dem neuen Brennstoff in Betrieb gehen.

An gleicher Stelle befindet sich neben den beiden ölgefeuerten Öfen ein kleiner Eberhardt Kalkschachtofen Typ G 30 im Bau. Dieser soll den wesentlich geringeren Bedarf an Kalk für die Raffination von Rohzucker decken.

In einer dritten Zuckerfabrik sind die Stahlbauarbeiten für drei Eberhardt Kalkschachtöfen Typ G 135 abgeschlossen. Die Inbetriebnahme ist für Januar 2011 geplant.

Bei dieser Anzahl von Kalkschachtöfen mit Gas- oder Ölfeuerung sollte die Limitierung der Eberhardt-Produktpalette auf Mischfeueröfen überwunden sein. Zumal nicht unerwähnt bleiben darf, dass bis zum Jahre 1979 bereits 12 Kalköfen dieser Art von Eberhardt in Betrieb genommen wurden und zwischenzeitlich in puncto Ausmauerung [1], Feuerungssystem und Beschickung modernisiert wurden. Neben der Nachrüstung eines Zünd- und Pilotbrenners wurden die Brennersteuerung und die Flammenüberwachung in einem zentralen Schrank in der Leitwarte der Brennerbühne realisiert (Bild 4). Der negative Einfluss von Wärmestrahlung in der Nähe der Brennkammern ist somit eliminiert und ein störungsminimierter Einsatz garantiert. Bei der Beschickung des Ofens kommen zum einen moderne und mit Sicherheitsbremsen ausgestattete Aufzugswinden Marke Eberhardt zum Einsatz, zum anderen ist die Dichtheit und somit die Möglichkeit eines Falschlufteintritts während des Befüllungszyklus durch eine hydraulisch betriebene Gichtglocke sowie metallisch dichtende und mechanisch bearbeitete Dichtflächen verbessert worden.

3 Schlüsselkomponenten

Im Jahre 2008 wurde durch die Implementierung des Geschäftsbereiches Schaffrath die Fokussierung auf die Zucker- und Soda-Industrie in Richtung der Kalkindustrie erweitert. Mit dem dazugewonnen Know-how und dem Mitwirken der entscheidenden Mitarbeiter stehen nun allen kalkherstellenden Industriezweigen Komponenten wie Skipanlagen, Batteriebeschickungen, Aufzugswinden, Beschickungs-, Austrags- und Kalkschleusensysteme zur Verfügung. Gestützt auf das Projektmanagement, die Konstruktion sowie die Service- und Dienstleistungen des Ofenbauers Eberhardt können Ofenprojekte aller Art ausgeführt werden. Erste Projekte sind bereits erfolgreich angegangen worden, beispielsweise der Auftrag für die Lieferung der mechanischen Schlüsselkomponenten für den Neubau eines Mehrkammerschachtofen mit 200 t/d Branntkalk (Bild 5) in der Ukraine sowie ein Servicepaket für die Modernisierung eines bestehenden kleineren Mehrkammerschachtofens in Saudi-Arabien.

In diesem Jahr wurde die Glockenkübelbeschickung (Bild 6) für zwei Hochtemperaturöfen in Deutschland mechanisch in Betrieb genommen. Hier ist die Anlage als Batteriebeschickung für eine Erweiterung um einen dritten Ofen bereits ausgelegt.

Für einen Ringschachtofen 200 t/d Branntkalk in Russland sind alle mechanischen Schlüsselkomponenten geliefert und montiert worden. Die Anlage soll demnächst in Betrieb gehen. An gleicher Stelle wurden auch die Komponenten für drei Mischfeueröfen mit je 150 t/d zur Verfügung gestellt.

In den Jahren 2003 bis 2006 ist in Kooperation mit einem ­chinesischen Partner an fünf Ringschachtöfen der Kapazitäten 300 t/d und 500 t/d Branntkalk in der dortigen Stahl-Industrie maßgeblich mitgewirkt worden. Noch heute wird dieser Markt mit technischen Beratungen und Feuerungssystemen versorgt.

Die von Eberhardt entwickelten und vertriebenen Schlüsselkomponenten werden nicht nur bei Neubauten von Kalköfen eingesetzt, sondern sind auch die Basis für Modernisierungen oder Optimierungen von bestehenden Ofenanlagen, beispielweise der Austausch von alten Vibrationsaustragungen durch hydraulische Schubtischaustragungen, wie sie standardmäßig bei allen Ringschachtöfen und vielen Mischfeueröfen eingesetzt werden (Bild 7). Der Vorteil dieses Systems ist die volumetrische Austragung und somit ein garantierter homogener Ofengang. Ein weiterer Schritt zur Modernisierung ist der ­Ersatz undichter Kalkschleusen durch moderne und dichte Systeme mit hydraulisch dichtenden Klappen (Bild 8).

Das Produktspektrum reicht von allen Kalkschachtofentypen bis hin zu allen Schachtdurchmessern. In den letzten zwei Jahren sind bereits Aufträge in den Niederlanden und Deutschland realisiert worden, bei denen alte Wettbewerber-Kalköfen  mit neuen Beschickungssystemen modernisiert wurden, um beispielsweise erhöhte Umweltauflagen in puncto Dichtigkeit oder einen variablen Einsatz von Koks oder Anthrazit als Festbrennstoffe zu ermöglichen. Hier stellen die unterschiedlichen Dichten und die damit verbundenen unterschiedlichen Flugparabeln die größten Herausforderungen dar (Bild 9).

4 Dienstleistungen

Für alle genannten und bekannten Kalköfen, ob nun von Eberhardt oder für den Mehrkammerschachtofen oder den Ringschachtofen, werden neben den mechanischen Schlüsselkomponenten auch Service- und Dienstleistungen für die Feuerfesttechnik und die Anlagentechnik erbracht. Hier zählt der ganzheitliche Ansatz der M-Group.

Unser Leistungsspektrum erstreckt sich vom Projektmanagement über Inspektionen des kompletten Maschinen-Equipments und qualifizierten Prüfungen unserer Aufzugswinden sowie verfahrenstechnischen Beratungen bis hin zu Inbetriebnahmen (Bild 10). Gleichzeitig findet ein umfassender Transfer von Prozess- und Erfahrungswissen in Bezug auf die unterschiedlichen Ofentypen statt, der Eberhardt in dieser Hinsicht einzigartig macht.

Einen erheblichen Anteil am Zuwachs an Prozessverständnis im Bereich der Feuerfesttechnik hat die sehr enge Zusammenarbeit mit den Partnerfirmen der M-Group, Möller und Schwab. Diese zeigt sich insbesondere bei gemeinsamen Ofenbefahrungen (Bild 11) und anschließenden Diskussionen und Dokumentationen über die Ursachen von Schäden oder Verschleiß sowie bei der gemeinschaftlichen Erarbeitung von Auslegungskonzepten für die feuerfeste Ausmauerung. All das trägt dem Faktum Rechnung, dass die Ausmauerung ein Kernstück des Kalkschachtofens ist und einen großen Einfluss auf die Performance und die Wartungs- und Instandhaltungskosten hat. Feuerfesttechnik und Anlagentechnik dürfen hier nicht getrennt betrachtet werden. Innerhalb der M-Group gibt es eine eindeutige Verantwortlichkeitsverteilung: Schwab und Möller machen Feuerfesttechnik und Ausmauerungsmontagen, Eberhardt macht Anlagentechnik. Beide Bereiche sind Markt und Ofentypen übergreifend zu verstehen und ganzheitlich interdisziplinär ausgerichtet.

5 Innovationen

Wichtige Triebfedern für Innovationen sind im Wesentlichen zwei Faktoren. Zum einen unser Kundenkreis, welcher eine hohe Flexibilität in puncto Brennstoffeinsatz und die kontinuierliche Hebung von Optimierungspotentialen erwartet, zum anderen das Ingenieursteam von Eberhardt selbst, das den gesamten Produktzyklus von Beratung, Angebot, über Projektmanagement, Konstruktion, Aufbau und Inbetriebnahme als Einheit komplett begleitet. Die in den einzelnen Auftragszyklen gesammelten Erfahrungen, ob positiv oder verbesserungswürdig, werden wie selbstverständlich für das nächste Projekt reflektiert. Begleitet wird das eigenmotivierte Qualitätsmanagement durch die Zertifizierung nach DIN ISO EN 9001:2000.

In der Praxis wird der Weg zu Innovationen durch jährliche Kundenbesuche und Inspektionen unserer Kalkbrennanlagen sowie durch den intensiven Erfahrungsaustausch über Kunden-Seminare, Schulungen und Workshops beschritten. Veranstaltet werden diese Events im M-Center, dem Kommunikations- und Schulungszentrum der M-Group in Lemgo (Bild 12). Für Forschung und Entwicklung wird die Nähe zur Hochschule Lemgo und dem Institut für angewandte Simulationstechnik und Forschungstransfer genutzt. Speziell die Strömungssimulation in Brennkammern [2] und Schüttungen sowie die Verbrennungssimulation von Kohlenstäuben im Eberhardt Kalkschachtofen sind Themen von bereits durchgeführten oder aktuellen Forschungsvorhaben (Bild 13)

6 Ausblick

Am 02. Mai 1860 hat Heinrich Eberhardt nach Zahlung von 2 Talern das Bürgerrecht der Stadt ­Wolfenbüttel erworben und damit die Berechtigung, ein Gewerbe auszuüben. Im gleichen Jahr gründete er mit einer Gelbgießerei die Keimzelle des heutigen Unternehmens. Seit 2003 ist Eberhardt in den Firmenverbund der M-Group integriert, die sich vor allem durch familiäre Gesellschafter-Prägung, soziale Verantwortung und verlässliches unternehme­risches Denken und Handeln auszeichnet. Ausgehend von einer soliden Basis aus Zuverlässigkeit, Innovations- und Investitionsbereitschaft und Vertragstreue können die Herausforderungen der Zukunft erfolgreich bewältigt werden. Eberhardt versteht sich als Kalkschachtofenbauer, als Engineering-Zentrum und als Dienstleister, der im partnerschaftlichen Verhältnis mit seinen Kunden der Zucker-, Soda-, Kalk- und Baustoff-Industrie Turnkey-Anlagen neu baut oder bestehende Öfen modernisiert oder optimiert. Das weitreichende Produktspektrum lässt bei Anwendungen bis 500 t/d Branntkalk mit unterschiedlichen Brennstoffen keine Wünsche offen. Moderne Beschickungs-, Austrags- und Schleusensysteme sind für alle Kalkschachtofentypen verfügbar. Unabhängig vom ursprünglichen Ofenbauer steht über den Geschäftsbereich Schaffrath häufig die ursprünglich eingesetzte Originalausrüstung zur Verfügung.

Spricht man über Visionen und Zukunft, so ist man in der M-Group inzwischen davon überzeugt, dass nicht unbedingt die Größe eines Unternehmens, sondern Schnelligkeit und Flexibilität auf einem extrem hohen Qualitäts- und Leistungsniveau, gepaart mit einer langfristigen, beständigen und nachhaltigen Firmenpolitik und Zielausrichtung, die Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft sind. Beide Leistungsbereiche der M-Group, Feuerfesttechnik und Anlagentechnik werden sich Seite an Seite und Hand in Hand den Herausforderungen der Zukunft stellen. Wir treten den Beweis an, dass in einer globalen und vernetzten Welt nach wie vor zuverlässiges Handeln, Schnelligkeit und Flexibilität am Markt, aber auch eine berechenbare Personalpolitik, verbunden mit modernster Technik, Innovationsfreude und einem straffen Management zu langfristigem Erfolg führen.

Chronik Eberhardt GmbH
13.08.1829 Geburt des Firmengründers Johann Heinrich Eberhardt

02.05.1860 Der Gelbgießermeister Johann Heinrich Eberhardt aus der Gemeinde Kissenbrück wird als Bürger in die Stadtgemeinde Wolfenbüttel aufgenommen. Im gleichen Jahr meldet er sein Gewerbe als Gelbgießer an.

1869 Aufstellung eines feststehenden Dampfkessels für den Betrieb der Gelbgießerei H. Eberhardt und der Buch­druckerei Otto Wollermann

1890 Anlage einer Maschinenfabrik mit Eisengießerei in der Frankfurter Straße durch Heinrich Eberhardt

1968 Entwicklung des KR-Ofens (Druckofen mit rotierender Beschickungseinrichtung) durch Wolfgang Lippold und Heinz Leupold (Patentanmeldung)

Febr. 1971 Veröffentlichung der Patenterteilung

1973 Inbetriebnahme des ersten KR Ofens in der griechischen Zuckerfabrik Hellenic Sugar in Larissa

1990 Übernahme der C. Fuhrmann GmbH, ein Apparate- und Behälterbauunternehmen aus Schöppenstedt

Jan. 1997 Eröffnung einer Zweigniederlassung unter dem Namen „C. Fuhrmann Zweigniederlassung der H. Eberhardt GmbH & Co. Maschinen- und Armaturenfabrik“ in ­Wolfenbüttel

2002 Übernahme der Firma Eberhardt durch die Lübecker ­Maschinenbau Gesellschaft mbH (LMG) in Lübeck, Umfirmierung in Eberhardt LMG Maschinen-und Anlagenbau Gesellschaft mbH und Umzug in ein Konstruktionsbüro Am Exer in Wolfenbüttel

Aug. 2003 Die Lübecker Maschinenbau Gesellschaft mbH (LMG) meldet Insolvenz an.

Okt. 2003 Übernahme der Firma Eberhardt durch die M-Group in Lemgo, Umfirmierung in Eberhardt-Lippold Anlagentechnik GmbH und Umzug in die Halchtersche Straße 33

01.01.2008  Verlegung des Firmensitzes von Wolfenbüttel nach Lemgo, Umfirmierung in Eberhardt GmbH

01.01.2008 Übernahme der Schaffrath GmbH als Geschäftsbereich Schaffrath in die Eberhardt GmbH unter dem Dach der M-Group

[1] Michael Hünerlage, Detlev Schütte: Betriebserfahrungen mit einem erdgasgefeuerten Eberhardt Kalkschachtofen G135, ZKG INTERNATIONAL 62 (2009), No. 6, pp. 78–92.

[2] Michael Hünerlage: Strömungssimulation an der unteren Brennkammer des Ringschachtofens, CI Vol. 5, 3/2007, pp. 68–75.

Textelement Deutsch 4

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