Die Vielfalt von Kalk ist die Leidenschaft der Firma Calcis. Calcis, das ist ein mittelständisch geprägter Firmenverbund mit drei Standorten in Deutschland, an denen das volle Sortiment möglicher Kalkprodukte von Branntkalk- und Kalkhydratprodukten bis hin zu ungebrannten Produkten produziert wird. Die technische Kapazität der Werke liegt bei ca. 500 000 t gebrannter und 100 000 t ungebrannter Produkte. Zusätzlich werden ca. 300 000 t Splitte und Körnungen mit Partnerunternehmen in den Markt gebracht. Um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben, sind auch bei Calcis Anlagenmodernisierungen und -optimierungen aus dem Tagesgeschäft nicht mehr wegzudenken. Mitte 2011 wurde im Werk Warstein eine neue GGR-Ofenanlage mit einem Synthesis-Ofen 85 der Firma Qualical (Bergamo/Italien) in Betrieb genommen. Auch im Werk Lienen wird derzeit ein neuer Ofen gebaut. Nach zwölf Monaten Bauzeit soll dieser im Juli/August 2012 in Betrieb gehen. ZKG International hat Geschäftsführer Detlev Wegner und Werksleiter Per Wasner zur Firma und zu den Modernisierungsvorhaben befragt.
ZKG: Herr Wegner, wie kam es zum Namen Calcis?
Detlev Wegner: Calcis steht als mittelständische Marke für die Unternehmen der ehemaligen Schencking-Gruppe. Mit dem Unternehmensverbund, seit 2011 unter neuem gemeinsamem Namen, können wir ein Vollsortiment an Produkten anbieten. Bei der Suche nach der Dachmarke haben wir, unterstützt durch eine Werbeagentur, nach einem Namen gesucht, der die Verbindung zu den verschieden Produkten schafft und dazu noch einprägsam ist. Das Konzept ist aufgegangen, d. h. man hat sich kundenseitig sehr schnell auf den neuen Namen umgestellt. Der Firmenverbund besteht aus der Calcis Warstein GmbH & Co. KG und der Calcis Lienen GmbH & Co. KG, und angegliedert daran der Standort Brochterbeck. Mit der Umfirmierung haben wir auch den Internetauftritt viersprachig überarbeitet und auf den neuesten Stand gebracht. Einprägsame und aussagekräftige Produktfamiliennamen wie CALSICAL (Calciumoxid) und OXYCAL (Calciumdihydroxid) werden dabei zu schnell erfassbaren Synonymen für unsere z. B. nach DIN EN 459-1 produzierten und entsprechend ausgewiesenen Produkte. Das geht soweit, dass unsere Produktnamen sogar Eingang in Ausschreibungen finden.
ZKG: Was können Sie zur Werksgeschichte sagen?
Detlev Wegner: Begonnen haben wir 1952 Werk in Lienen mit offenen Pottöfen, später mit normalen Schachtöfen einfachster Bauart. Schließlich folgten zwei Schubtischöfen. In Warstein haben wir 1995 das Werk übernommen. Der annähernd ungenutzte Mehrkammerschachtofen wurde auf unsere Belange umgestellt und ertüchtigt. Auch einen Schachtofen für Hartbranntprodukte haben wir nach Optimierung in Betrieb genommen.
Per Wasner: 2009 haben wir der ökologischen und ökonomischen Situation folgend, einen Synthesis 85 Ofen von Qualical, den wir im Juli 2011 in Betrieb genommen haben, in Auftrag gegeben. Wir betreiben diesen Ofen heute mit besten Ergebnissen.
Detlev Wegner: Dieser Ofen erweiterte das Produktportfolio des Calcis-Unternehmens im Bereich der qualitativ hochwertigen Weichbranntkalke mit t60-Werten deutlich < 2 Min. und CO2-Werten deutlich kleiner 2 %. In dem zu Calcis Lienen gehörenden Werk Brochterbeck stehen zwei Normalschachtöfen, die im Jahr 2010 in Betrieb genommen wurden, jeder mit ca. 40 t/d Kapazität. Dort werden CL 80-Kalkhydrat sowie bestimmte kohlensaure Düngemittel und NHL-Produkte (natürliche, hydraulische Kalke) hergestellt. Damit ist diese Produktionsstätte eine deutlich Erweiterung für die Produktfamilie Calcis.
ZKG: Wie sichern sie eine nachhaltige und zukunftsorientierte Produktion ab?
Per Wasner: Wir sind nach DIN EN ISO 9001 zertifiziert. In den nächsten Monaten werden wir eine Zertifizierung für das Energiemanagement durchführen lassen.
Detlev Wegner: Die Managementzertifizierung öffnet den Weg für verschiedene Zertifizierungsmöglichkeiten, z. B. Umweltzertifizierung. Derzeit wird ein Energiemanagement gem. ISO 50001 implementiert. Damit reagieren wir auf politische bzw. rechtliche Anforderungsprofile; versprechen uns aber natürlich auch betriebliche Vorteile von diesem System.
ZKG: Wie unterscheiden sich die Werke hinsichtlich der Rohstoffe?
Per Wasner: In Warstein wird devonischer Massenkalk mit CaCO3-Gehalten von 95–98 % verarbeitet, in Lienen ist es Cenoman-Kalk mit 85–92 % CaCO3 und entsprechenden Nebenbestandteilen. Ein Grund, warum wir uns in Lienen auf die Calcium-Silikatindustrie spezialisiert haben.
Detlev Wegner: In Lienen nutzen wir den CaCO3-Anteil und auch gezielt die Nebengemengteile für die Produktion unsere Spezialkalke. Diese Kalke ermöglichen bei der Produktion von z. B. Kalksandstein, eine hohe Rohlingstandfestigkeit bei niedriger CaO-Dotierung und Einbindung der hydraulischen Faktoren. Damit wird bei optimalen Kalksandsteineigenschaftskombinationen das Risiko von freiem CaO nach der hydrothermalen Härtung vermieden. Insbesondere werden keine Zumischungen von Fremdprodukten erforderlich.
Calcis ist angetreten, immer mehr maßgeschneiderte Produkte, z. B. hinsichtlich der Körnung, Reaktionszeit und Löslichkeit anzubieten, um den Anforderungen aller Applikationen gerecht zu werden. Durch umfangreiche labortechnische Produktentwicklung und gezielte Unterstützung im anwendungstechnischen Bereich, entstehen häufig Spezialprodukte, die auch über größere Entfernungen geliefert werden können. Gemeinsam mit dem Kunden können wir auch schnell und effizient auf spezielle Rahmenbedingungen eingehen. Ein Beispiel: Brennstoffe sind bei der Kalkproduktion ein bedeutender Faktor. Gemeinsam mit unseren Kunden haben wir Produkte entwickelt, die auch nach einem Brennstoffwechsel den Qualitätsvoraussetzungen voll entsprechen. Die wesentliche Voraussetzung für technische und qualitative Entwicklungen ist eine marktgerechte Preisentwicklung.
ZKG: Für das Werk Lienen stand eine Modernisierung an. Wie sah die Entscheidungsmatrix aus?
Per Wasner: Zuerst wurde eine Lösung mit zwei Schachtöfen favorisiert, die über einen Überstromkanal miteinander verbunden werden sollten. Dieses Projekt wurde ausgiebig untersucht und aufgrund fehlender Qualitätsgarantien seitens des Ofenbauers sowie des großen finanziellen Aufwandes nicht realisiert. Somit fiel die Entscheidung für einen neuen Ofen. Aufgrund der guten Erfahrungen in Warstein haben wir uns für einen baugleichen QualiCal-Ofen Synthesis 85 mit einer Leistung bis zu 400 t/d entschieden. Dieser Ofen wurde für den Einsatz von Cenoman-Kalkstein modifiziert. Der Ofen ist im Wesentlichen technisch baugleich zum QualiCal-Ofen in Warstein und hat aufgrund der Duplizität Vorteile für beide Standorte im Bereich der Ersatzteilhaltung sowie analoger Steuerungsentwicklung etc.
ZKG: Wie sind die Erfahrungen mit der neuen Ofenanlage in Warstein in die Planung in Lienen eingeflossen?
Per Wasner: In der Inbetriebnahmephase sind Anlagen-, Standort- und Betriebsspezifische Änderungen in enger Abstimmung mit dem Expertenteam der Fa. QualiCal erfolgreich durchgeführt worden. Ein Beispiel ist die modifizierte Steuerung der Füllstandsmessgeräte in Abhängigkeit zu den Ofen-Austragstischen. Weiterhin erfolgt die Messung der Schubtischbewegung nicht mehr über Effektoren. Eine exakte Wegstreckenmessung sichert eine gleichmäßige Bewegung der Schüttung in den Schächten. Eine Überarbeitung der gesamten Ofensteuerung konnte mit QualiCal erfolgreich realisiert werden. Eine ehemals praktizierte getrennte Regelung der Luft- und Brennstoffmengen wurde gegen die Bezugsgrößen Tonnage und Luftfaktoren als Regelgröße ausgetauscht. Weitere Funktionen werden automatische von der Steuerung angepasst. So wird z. B. die Brennstoffverteilung, unter Berücksichtigung der Produktionsmengen, automatisch angepasst.Viele weitere Entwicklungen sind gemeinsam mit QualiCal umgesetzt und fließen in zukünftige Ofengenerationen ein.
Detlev Wegner: Wesentlich sind die Entwicklungen in der Praxis für die Praxis. Der Projektablauf in Warstein war wesentlich durch den Support der Firma Qualical zeitnah und effektiv. Auch bei einem solchen Projekt sind Störfälle zu ungünstigsten Zeiten nicht auszuschließen. Die Fa. QualiCal hat, wenn nötig, rund um die Uhr, Hilfestellung geleistet.
Per Wasner: Bei Problemen konnten und können sich die technische Crew des Werkes, aber auch die Experten von Qualical, direkt auf gesichertem elektronischen Weg, einen Überblick über das Leitsystem verschaffen und so gemeinsam – online – an der Fehlerdiagnose arbeiten.
Detlev Wegner: Auch in Hinblick auf das Rohmaterial ist der Ofen optimiert worden. Qualical hat im Labor-/halbtechnischen Maßstab Lienener Cenomankalkstein analysiert und die Ergebnisse in die Ofenplanung einfließen lassen.
Per Wasner: Unseres Wissens ist das der erste Standort, an dem ein Cenoman-Kalk im Gleichstrom-Regenerativverfahren gebrannt wird. Insofern ist der Bau des Ofens 7 in Lienen eine Weltneuheit!
ZKG: Wie unterscheiden sich die Standorte hinsichtlich der eingesetzten Brennstoffe?
Per Wasner: In Warstein setzen wir Steinkohlenkoks und Anthrazit für den Normalschachtofen und für den Mehrkammerschrägschachtofen Butangas und Petrolkoksstaub ein. Dieser Ofen wurde jetzt umgebaut, und wird nach der Wiederinbetriebnahme mit Braunkohlenstaub betrieben. Der Brennstoff für den GGR-Ofen (Ofen 3) ist Braunkohlenstaub.
Am Standort Lienen wird seit jeher Anthrazitkohle und stückiger Petrolkoks an den Normalschachtöfen sowie Petrolkoksstaub und Erdgas an den Schubtischöfen eingesetzt. Die Schubtischöfen werden derzeit auch auf Braunkohlenstaub umgestellt. Der neue GGR-Ofen in Lienen kann mit Gas und mit Braunkohlenstaub sowie anderen staubförmigen Brennstoffen, betrieben werden.
Die Braunkohlestaubdosierung erfolgt mit Dosiersystemen von Carbotechnik. Wir haben hinsichtlich der Dosiergenauigkeit, der Dichtigkeit der des allgemeinen Handlings Anlage, sehr gute Erfahrungen gemacht. Mit der Produktionsleistung des Ofens ist es zwingend erforderlich die Brennstoffdosierung den einzelnen Brennersegmenten anzupassen. Dies ist im Zusammenhang mit dem Brennstoffsystem nur eine der Erfahrungen, die wir gemeinsam mit QualiCal umgesetzt haben. Eine stabile Qualität steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Brennstoffverteilung und den praktizierten Ofenleistungen (200-400 t/d).
Detlev Wegner: Uns hat die Erfahrung deutlich gezeigt, dass der Einsatz von Braunkohlenstaub mit exakt fixierten Qualitäts- und Eigenschaftsmerkmalen, keine Qualitätsbeeinträchtigungen nach sich zieht. Unter Berücksichtigung gezielter physikalischer Nachbereitung, sind hervorragende Kalkeigenschaften zu realisieren.
ZKG: Vielen Dank für das Gespräch, weiterhin viel Erfolg.
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