Die Zukunft der Zementindustrie im Zeichen des Klimaschutzes
Unter diesem Motto hatte Reinhard Schultz, Mitglied des Deutschen Bundestages, am 23.012009 zu einem Round-Table-Gespräch nach Ennigerloh/Deutschland eingeladen. Hintergrund der Veranstaltung war, dass der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs am 12.12.2008 über die EU-Richtlinie für den Emissionshandel ab 2013 entschieden hatte. Gegenüber den Vorschlägen der EU-Kommission konnten dabei einige entscheidende Verbesserungen zugunsten der CO2- und energieintensiven Industrie durchgesetzt werden.
Nach einer Begrüßung von Thomas Trampe-Brinkmann, Mitglied des Landtages Nordrhein-Westfalen, referierte Reinhard Schultz zur Einführung über „Industriepolitik und Klimaschutz“. Er wies darauf hin, dass neben industriellen Emittenten besonders auch der private Sektor für CO2–Emissionen verantwortlich ist. Daran anschließend stellte Andreas Kern, Vorstandsmitglied der HeidelbergCement AG und Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Zementindustrie e. V., den derzeitigen Stand der Entscheidungsfindung vor. Er wies darauf hin, dass die Europäische Zementindustrie nur für ca. 0,3 % der globalen Emissionen verantwortlich ist, weltweit ist die Zementindustrie an 5 % der Emissionen beteiligt, davon entfallen 2,5 % auf China. Allerdings hätten die Chinesen durchaus in energetischer Hinsicht, z. B. bei der Nutzung der Ofenabwärme, Fortschritte erzielt. Die Sicht anderer betroffener Industriebereiche wurde durch Ulrich Freese, Stellvertretender Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie, vorgestellt. Er wies unter anderem darauf hin, dass CO2 nicht notwendigerweise nur als Abfall-, sondern auch als Wertstoff angesehen werden kann.
Laut Kern werden den von „Carbon Leakage“ bedrohten Sektoren – dazu zählt auch die Zementindustrie – bis 2020 Emissionsberechtigungen gratis zugeteilt. Die Zuteilung erfolgt auf Grundlage eines Benchmarks, der sich an den besten verfügbaren Technologien orientiert, aber noch definiert werden muss. Auch kann sich die EU-Kommission bis Ende 2009 Zeit lassen, um über die Liste der Industriesektoren zu entscheiden, die von „Carbon Leakage“ bedroht sind. Künftig sollen entsprechende Industriezweige alle fünf Jahre einer neuen Prüfung unterzogen werden.
ZKG befragte Andreas Kern zu diesem Thema:
ZKG: Herr Kern, wie sehen Sie die Zukunft der deutschen Zementindustrie?
Andreas Kern: Dank der staatlichen Konjunkturprogramme rechnen die deutschen Zementhersteller trotz der aktuellen Finanzkrise in diesem Jahr wieder mit einer stabilen Entwicklung. Wir erwarten für 2009 in Deutschland einen Zementverbrauch auf Vorjahresniveau von rund 27,4 Mio. t. Die Unternehmen der Zementindustrie sehen sich nach jahrzehntelanger Baurezession für die aktuelle Krise gut gerüstet. Wir haben unsere Hausaufgaben längst gemacht, Kosten, Produktivität und Kapazitäten angepasst. Die beiden aktuellen Konjunkturprogramme der Bundesregierung werden die Bauinvestitionen, vor allem im Tiefbau, signifikant erhöhen. Das kommt unserer Industrie zugute. Sorgen machen uns dagegen die weiterhin steigenden Energiekosten, die einen Großteil unserer Produktionskosten ausmachen.
ZKG: Steht fest, dass die Emissionszertifikate für die Zementindustrie gratis zugeteilt werden?
Kern: Nach den Verhandlungen im EU-Rat wurden im Dezember 2008 auf europäischer Ebene die entscheidenden Weichen zur Ausgestaltung des Emissionshandels in Europa ab dem Jahr 2013 gestellt. Als grundsätzliches Ergebnis steht fest, dass wesentliche Teile der CO2-intensiven Industrien, zu denen auch die Zementindustrie gehört, aus der Vollversteigerung der Zertifikate ausgenommen werden. Die Zertifikate werden damit weiterhin kostenlos – allerdings bis 2020 in einer um 21 % verminderten Höhe – zugeteilt.
ZKG: Gilt Gleiches auch für die Kalk- und Gipsindustrie?
Andreas Kern: Die vom Rat dem Grundsatz nach beschlossene Freistellung der energieintensiven Industrie von der Auktionierung betrifft grundsätzlich auch die Kalkindustrie. Der Geltungsbereich des Emissionshandelssystems wird erweitert. So fällt z.B. auch die Gipsindustrie zusätzlich unter den Emissionshandel.
ZKG: Die Zuteilung soll auf der Basis von Benchmarks erfolgen. Wie könnten diese aussehen?
Andreas Kern: Durch eine Zuteilung von Emissionsrechten auf der Basis anspruchsvoller, aber fairer Benchmarks würde die Funktionsfähigkeit des Emissionshandels an Zielgenauigkeit und Kosteneffizienz gewinnen. Wir sind dabei, diese Benchmarks auf Basis von CO2-Obergrenzen unter Berücksichtigung prozessbedingt nicht reduzierbarer Emissionen (10 % der besten verfügbaren Technologie in Europa) zu entwickeln. In diesem Zusammenhang gilt unsere besondere Aufmerksamkeit auch der Aufteilung der Gesamtminderungsverpflichtung von minus 21 % auf die verschiedenen Sektoren.
ZKG: Welche generellen Trends sehen Sie für den Zementanlagenbau in Deutschland und in Europa?
Andreas Kern: Um den rasanten Anstieg der Kosten für Brennstoffe wie Kohle und Gas, aber auch für Strom, Rohmaterialien, Transporte, Ersatzteile und Maschinen abzufedern, wird die Effizienz der Produktionsanlagen insgesamt weiter verbessert. Ein weiterer Trend ist sicherlich auch die Erneuerung und Modernisierung der Filtersysteme, die an höchste Emissionsstandards angepasst werden. Auf europäischer Ebene werden erhebliche Fortschritte bei der Substitution von Primär- durch Sekundärbrennstoffe mit entsprechenden Biomasseanteilen erzielt. Um die Versorgung mit Sekundärbrennstoffen langfristig zu sichern, gehen viele Unternehmen enge Partnerschaften mit Entsorgungsfirmen ein.
ZKG: Der Klinker-Zement-Faktor ist in Deutschland im europäischen Umfeld noch vergleichsweise hoch. Welche anderen Zusatzstoffe (außer Hüttensand) kommen für eine Verringerung des Klinker-Zement-Faktors infrage?
Andreas Kern: Die Kompositzemente, deren Klinkeranteil reduziert und beispielsweise durch Flugasche oder Kalkstein ersetzt wird, setzen sich zunehmend am Markt durch. Bei einigen Zementsorten liegt der Klinkeranteil bereits deutlich unter 70 %.
ZKG: Wir danken Ihnen für das Interview.