Die Aufbruchstimmung liegt förmlich in der Luft. „We had so much struggle. Let us now watch out that our children do not need to suffer any more“, der Satz von John Okumo vom Uganda National Bureau of Standards während eines Kick-Off-Workshops zu einem afrikanischen Ringversuch zur Prüfung von Zement beinhaltet sehr viel Zuversicht. Zu Recht, denn in vielen afrikanischen Ländern werden derzeit Ölvorkommen und andere wertvolle Rohstofflager erschlossen. Der Wohlstand wächst, und es scheint, als käme der Wohlstand endlich auch der lokalen Bevölkerung zugute – und hierdurch nicht zuletzt gerade auch dem Bausektor. Baustoffprüfung und Qualitätsüberwachung sind herausragende aktuelle Kernthemen über den gesamten Kontinent, denn die Qualitätsansprüche sind hoch. Afrika stabilisiert und erneuert sich und der Aufschwung ist an allen Ecken und Enden spürbar. Neben einem niemals endenden Verkehrsstau prägen Baustellen in jeder freien Lücke das Stadtbild von Dar es Salam, dem Regierungssitz Tansanias, in der vom 2. bis 6. Juli 2012 Workshops für Nachwuchswissenschaftler und Baustofflabore im Zement- und Betonsektor stattfanden (Bild 1).
Im Rahmen des SPIN Projektes (www.spin.bam.de) reisten Nsesheye Susan Msinjili, Dr. Gregor Gluth und Wolfram Schmidt, Mitarbeiter der Abteilung 7 der BAM Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung am 30. Juni zunächst nach Sansibar und dann nach Daressalam, um zusammen mit weiteren Wissenschaftlern aus mehreren afrikanischen Ländern Kurse für angehende Master- und PhD-Studenten von Universitäten aus aus Ost-, Süd- und Zentralafrika zu geben und den Kick-Off-Workshop für einen gesamtafrikanischen Ringversuch zur Zementprüfung in Kooperation mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zu leiten.
Zement- und Betonkonferenz in Afrika
In Sansibar wurde im Rahmen des SPIN-Projektes eine Bauwerksinstandsetzung besichtigt und es wurden Pläne zur im Januar 2013 anstehenden Konferenz „Advances in Cement and Concrete Technology in Africa“ (www.accta2013.com) diskutiert. Auf der internationalen Konferenz in Johannesburg, die im Wesentlichen von der BAM sowie der südafrikanischen University of the Witwatersrand organisiert wird, werden mehr als 300 Besucher aus über 40 Nationen zusammen kommen.
Trainingsprogramm und Vorträge
Im Anschluss fand an der Universität von Dar es Salam ein zweitägiges Trainingsprogramm für Masterstudenten und Doktoranden aus Tansania, Ruanda, Uganda, Burundi, DR Kongo, Südafrika und Mosambik statt. Eröffnet wurde das Programm von Prof. Mrema (University of Dar Es Salaam) mit einem Vortrag über alternative zementäre Materialien, gefolgt von einem Vortrag zu Grundlagen der Rheologie und dem Beitrag der Baustoffchemie zu Innovationen im Betonsektor von Wolfram Schmidt (BAM). Danach folgte ein Vortrag von Ryan Bradley (University of the Witwatersrand) über den Einfluss von Windlasten auf Schalenstrukturen sowie ein Vortrag über Anwendungsregeln für den Spritzbetonbau von Prof. Regina Stratmann-Albert (FH Darmstadt), die den Kursen als Gastreferentin beiwohnte. Abschließend führte Wolfram Schmidt durch einen Laborworkshop in dem die Studenten anhand praktischer Versuche an Fragestellungen der Packungsdichteoptimierung sowie die Wirkungsweise von Polycarboxylatethern und Polysacchariden zur Steuerung der Rheologie des Betons herangeführt wurden (Bild 2).
Der zweite Tag begann mit Dr. John Makunza (University of Dar Es Salaam), der über das Design und Lastannahmen von Brückenbauwerken referierte. Im Anschluss folgte ein Kurzvortrag von Akindehinde Ayotunde Akindahunsi (University of the Witwatersrand) über die Verwendung von Stärke in zementgebundenen Systemen, eine Thematik, die aktuell in Kooperation mit der BAM untersucht wird. Das weitere Programm gestaltete Prof. Herbert Uzoegbo (University of the Witwatersrand) mit einem Vortrag über den Unterschied zwischen tektonisch angeregten Erdbeben und solchen, die aufgrund von unterirdischen Sprengungen infolge des Minenabbaus entstehen. Im Anschluss provozierte Prof. Mitchell Gohnert (University of the Witwatersrand) mit der Frage nach der physikalischen Existenz von Schubspannungen und erläuterte, warum Betonbauteile nahezu ausschließlich auf Zug versagen. Abschließend referierte Renato Rajzer (Civil Engineering Institute of Croatia) über normative Regelungen zur Qualitätssicherung des Baustellenbetriebes. Alle Themen wurden von den Studenten mit Enthusiasmus und großem Interesse aufgenommen.
Ringversuch zur Zementprüfung
In den folgenden zwei Tagen fand ein Kick-Off Workshop zu einem Ringversuch mit Beteiligten aus allen afrikanischen Regionen zur Prüfung von Zement entsprechend der Normenreihe EN 196 statt (Bild 3). Der Umfang des Ringversuches stellt ein Novum für den afrikanischen Kontinent dar. Insgesamt beteiligen sich 27 Baustoffprüfungslabore aus den 20 Ländern Algerien, Äthiopien, Botsuana, Burundi, Demokratische Republik Kongo, Deutschland, Ghana, Kenia, Kroatien, Mauritius, Mosambik, Namibia, Nigeria, Ruanda, Senegal, Sierra Leone, Simbabwe, Südafrika, Tansania und Uganda. Die beteiligten Labore setzen sich aus Universitäten, staatlichen und privaten Prüfanstalten, Industrie sowie nationalen Standardisierungsbüros zusammen (Bild 4). Der Ringversuch wird federführend durch die Abteilung 7 der BAM und mit finanzieller Förderung und logistischer Unterstützung durch die PTB sowie mit Unterstützung des SPIN-Projektes durchgeführt. Aufgrund der aufwendigen Logistik wird der Ringversuch nicht vor Oktober 2012 abgeschlossen sein. Der Ringversuch umfasst die Ermittlung der Biegezug- und Druckfestigkeiten nach EN 196-1, des Wasseranspruchs, Erstarrungsbeginns und –endes und der Raumbeständigkeit nach EN 196-6. Darüber hinaus sind Glühverlust, unlöslicher Rückstand sowie Sulfat- und Chloridgehalt entsprechend EN 196-2 Bestandteil der durchzuführenden Untersuchungen.
Die Diskussionsleitung vor Ort wurde von Nsesheye Msinjili geführt. Die technischen Diskussionen zu den physikalischen und chemischen Prüfungen übernahmen Wolfram Schmidt und Dr. Gregor Gluth. Neben angeregten Debatten über den afrikanischen Rahmenbedingungen angepasste Modifikationen ergaben sich eine Reihe von interessanten Diskussionen sowohl während des offiziellen Programms als auch während der Pausen und den Abendveranstaltungen am indischen Ozean, aus denen konkrete Pläne für die Weiterführung des Ringversuches sowie zur Bildung eines interafrikanischen Labornetzwerkes hervorgingen. Gelegenheit zur Fortführung der Gespräche wird sich ergeben, wenn alle Partner zum Abschlussworkshop des Ringversuches im Februar 2013 an der BAM erneut zusammen kommen.
Alles in allem endete eine arbeitsintensive Woche am 7. Juli, mit vielen vielversprechenden Resultaten. Diese kommen nicht zuletzt durch das großartige Organisationstalent von Nsesheye Msinjili zustande, die in Dar es Salam geboren wurde und vor Ort die Planung übernahm, stets die Kontrolle und den Überblick über die zahlreichen Teilnehmer behielt und allen Widrigkeiten beharrlich trotzte, so dass das gesamte Wochenprogramm planmäßig ablaufen konnte. Die Forschung und Prüfung von Baustoffen blickt in Afrika einer aussichtsreichen Zukunft entgegen, und die BAM ist glücklich, die Kollegen vom afrikanischen Kontinent dabei ein Stück weit begleiten zu dürfen. Dabei darf ruhig einmal das Licht ausgehen oder die Klimaanlage das Zeitliche segnen. Was bleibt ist die große Zuversicht aller Beteiligten im Hinblick auf die Zukunft des Baustoffsektors in Afrika, viele neue Kooperationsanbahnungen sowie die wehmütige Erinnerung an die hervorragende Küche Sansibars und die unvergleichlichen Sonnenaufgänge über dem indischen Ozean.
TEXT Wolfram Schmidt, Gregor Gluth, BAM Federal Institute for Materials Research and Testing, Berlin/Germany