Ingenieure sucht das Land

ZKG-Fachexkursion 2009, Ennigerloh/Deutschland (04.–05.06.2009)

Video: International Recruiting Heidelbergcement 

„Der Arbeitsmarkt im April 2009 zeigt im siebten Monat in Folge einen Rückgang des gesamtwirtschaftlichen Stellenangebotes für Ingenieure, bleibt allerdings mit ca. 64000 zu besetzenden Stellen auf einem hohen Niveau.“, so Dr. Willi Fuchs, VDI-Direktor im Ingenieurmonitor, Ausgabe Mai 2009. Es wird erwartet, dass nach Abflauen der Finanzkrise der Bedarf an Ingenieuren noch weiter in die Höhe geht, nicht zuletzt aufgrund der Altersstruktur in vielen Betrieben, bei ­denen dann ein Generationswechsel ansteht. Was liegt näher als werdende Ingenieure und Maschinenbauer sowie Anlagenbetreiber zusammenzubringen? Die Zeitschrift ZKG (Zement-Kalk-Gips) INTER­NATIONAL ergriff diese Gelegenheit und lud Studenten der Fachrichtungen Verfahrenstechnik, Aufbereitung mineralischer Rohstoffe und Gesteinshüttenkunde der RWTH Aachen in ein Zementwerk ein. Mit einem prognostizierten Zementweltverbrauch von 2,8 Mrd. t Zement im Jahr 2010 ist die Zementindustrie ein wichtiger, attraktiver und international ständig wachsender Industriezweig, der Anforderungen auf allen Gebieten der mechanischen, chemischen und thermischen Verfahrenstechnik stellt. Mit dieser Veranstaltung soll für Studierende aus dem Ingenieurbereich die Brücke zwischen Theorie und Praxis geschlagen und ihnen ein sehr spezielles Fachgebiet der Verfahrenstechnik und des Maschinenbaus erschlossen werden.

Als gastgebendes Werk fungierte das HeidelbergCement-Werk Ennigerloh. Werksleiter Stephan Wehning (Bild 1) führte sehr anschaulich und spannend in die Herstellung des Zements ein. Weil aus eigener Erfahrung berichtet, konnten sich die mehr als 30 angereisten Studenten ein lebendiges Bild von der Zement­herstellung machen. Das brachte auch die lebhafte Diskussion mit Fragen nach dem Vortrag zum Ausdruck. Besonders die Studenten, die bereits das Grundstudium absolviert haben, konnten sich gut in die Vortragsthemen hineinversetzen, wodurch viele interessante und das Thema vertiefende Fragen gestellt wurden (Bild 2). Der Einführungsvortrag diente neben der Vorstellung der HeidelbergCement AG als Konzern und der Erläuterung der wesentlichen Schritte zur Zementherstellung vor allem auch der Vorbereitung auf die Exkursionen ins Werk, die sich jeweils an den Vortragsteil anschlossen. Diese waren in zwei Abschnitte eingeteilt worden. Im ersten Teil der Werksbesichtigung wurde ein Überblick gegeben und die Ofenanlage besichtigt. Im zweiten Teil standen die Zementmahlung, die Sackpackerei und der Versand sowie Anlagendetails im Fokus.


Aber nicht nur die Sicht des Betreibers wurde den Studenten nahe gebracht. Insgesamt vier Zementanlagenbauer gingen detailliert auf die Entwicklung des Anlagenbaus und wichtige Schlüsselfunktionen entlang des Herstellungsprozesses ein.


Dr. Dietmar Schulz, Leiter Forschung und Entwicklung bei der Polysius AG in Beckum/Deutschland, stellte in seinem Vortrag „Das Klinkerbrennen – Grundlagen und Technologie“ das Herzstück eines Zementwerkes vor. Den Studenten wurden Funktionen und Wirkungsweisen der Anlagenkomponenten Vorwärmer, Ofen und Kühler im Detail vorgestellt. So konnten die Zuhörer sehr gut Unterschiede in der Konstruktion des modularen Prepol®-Kazinatorsystems in Abhängigkeit von den zur Verfügung stehenden Rohmaterialien und Brennstoffen nachvollziehen. Des Weiteren wurde die Funktion eines Bypass erläutert. Er dient zur gezielten Ausschleusung von Alkalichloriden in der Gasphase aus dem Ofeneinlauf. Sehr anschaulich stellte Schulz die Möglichkeiten der Flammregulierung am Brenner und die Funktionsweise eines Polytrack-Kühlers vor. Anhand Yamaver 5 von Yamama Saudi Cement wurden die einzelnen Anlagenabschnitte in einem gerade realisierten Werk gezeigt.


Ein sehr aktuelles Thema präsentierte Dipl.-Geol. Norbert Streit von KHD Humboldt Wedag GmbH in seinem Vortrag „Der Einsatz von sekundären Brennstoffen zur Zementherstellung – Auswirkungen auf den Prozess – Technische Lösungen“. Nach einer Einführung in die verschiedenen Arten von Sekundärbrennstoffen und ihre jeweiligen Brennwerte zeigte Streit den Zusammenhang zwischen verschiedenen Brennstoffen und den anlagentechnischen Lösungen in den Bereichen Vorkalzinator und Ofen. Dabei ging er vor allem auch auf die „Combustion Chamber“ ein, die speziell für die homogene Verbrennung von Sekundärbrennstoffen entwickelt wurde. Um eine Vielzahl von Brennstoffen unterschiedlicher Aggregatzustände einsetzen zu können, hat sich der Mehrkanalbrenner durchgesetzt. Am Schluss des Vortrages wurden verschiedene Fallstudien vorgestellt, um die Wirtschaftlichkeit des Sekundärbrennstoffeinsatzes zu verdeutlichen.


Der Nachmittag des ersten Exkursionstages war dem ersten Teil der Werksbesichtigung vorbehalten (Bilder 3–14). Der Standort Ennigerloh Nord, an dem auch das Zentrallabor und der ­Vertrieb bzw. die Bauberatung angesiedelt sind, beschäftigt
178 Mitarbeiter. Außerdem werden dort 19 Auszubildende in verschiedenen Berufen ausgebildet.


Der Standort Ennigerloh befindet sich im Beckumer Becken, dessen Gesteine geologisch gesehen in das Campan (Obere Kreide) gehören und vor etwa 80 Millionen Jahren abgelagert worden sind. Die Abbauhöhen liegen zwischen 8 und 16 m, der Abbau geschieht durch Reißen bei größeren Höhen dann durch Sprengen. Der durchschnittliche CaCO3-Gehalt beträgt 72 %. 23–25 % Fremdmaterialanteil werden in Form von Warsteiner Kalk (ca. 97 % CaCO3) für das Ofenmehl zugegeben. Jährlich werden bis zu 1,2 Mio. t
Kalkstein in Ennigerloh abgebaut, wobei bereits der Abbau von weiteren 17,45 Mio. t genehmigt ist und eine noch nicht genehmigt Reserve von rund 18 Mio. t vorhanden ist. Der Transport des Kalksteins zum Brecher sowie die Bewegung des Abraums sind an Fremdunternehmen vergeben.


Der Kalkstein wird mit einem für Ennigerloh speziell angefertigten SKW zum Einwellenhammerbrecher (Leistung
500 t/h) transportiert. Dort endet auch die 80 km lange Bahnstrecke, die das bereits gebrochene Kalksteinmaterial aus Warstein anliefert. Die Rohmaterialaufbereitung erfolgt mit zwei Hammermühlen denen eine Einkammer-Kugelmühle der Fa. Hirschmann mit einer Mahlleistung von ca. 250 t/h nachgeschaltet ist. Das Rohmaterial wird während des Mahl-vorgangs mit Ofenabgasen getrocknet.


Die Drehofenanlage mit einer drehenden Länge von insgesamt 108 m hat einen 4-stufigen, 2-strängigen Wärmetauscher und Satellitenkühler und eine genehmigte Tagesleistung von 3500 t/h. Die derzeitige Leistung liegt bei ca. 2800 bis 3000 t/d, wobei der Sekundärbrennstoffanteil >70  % beträgt. Unzerkleinerte Reifen werden in die Einlaufkammer aufgegeben. Eine Zugabe von Eisenerz ist aufgrund der Charakteristik der Rohmaterialien nicht mehr notwendig. An fossilen Brennstoffen werden Stein- und Braunkohlenstaub verwendet. Nach der Zementmahlung in Kugelmühlen mit angeschlossenem Sichter werden die Zemente entweder mit einem 8-Stutzen-ROTO-Packer in Säcke abgefüllt oder per Loseverladestellen an
13 LKW- und einer Bahnverladestelle ausgeliefert. Die Qualitätssicherung der Zemente wird durch regelmäßige Probennahme und Analyse mit dem Polysius Automationssytem ­POLAB sichergestellt.


Sowohl während der Vorträge als auch bei der Werksbesichtigung nutzten die Studenten sehr ausgiebig die Gelegenheit Fragen zu stellen und sich so ein vollständigeres Bild von dem Berufsumfeld zu verschaffen.


In ein anderes technisches Produktionsverfahren wurden die Teilnehmer der Exkursion am Abend eingeweiht. Bevor es in der Pott’s Naturpark Brauerei in Oelde das verdiente Abendessen gab, stand die Brauereibesichtigung auf dem Programm – und auch da gab es noch eine Fülle begeisterter Fragen. In gemütlicher Runde am Abend folgte ein reger Austausch ­zwischen den Firmenvertretern und den eingeladenen Studenten.


Am zweiten Tag der Exkursion standen noch zwei Vorträge und der zweite Teil der Werksbesichtigung aus. Dipl.-Ing. Frank Dardemann von der Loesche GmbH stellte die Loesche-Mahltechnologie vor. Nach der detaillierten Beschreibung der Funktionsweise von Mühlen und des modularen Systems der Loesche-Mühlen ging er auf die unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten von Mühlen in einem Zementwerk ein. Schließlich stellte Dardemann den „Hot Gas Generator“ vor, der heiße Gase zur Trocknung von Schüttgütern produziert. Anwendung findet diese Technologie beispielsweise in der Zementindustrie, in Kraftwerken und in der Stahl- oder holzverarbeitenden Industrie.


Über „Refratechnik Feuerfestmaterial – Ein Hightech-Produkt für die Zementindustrie“ berichtete Dipl.-Berging. Harald Merker. Nach der Eisen- und Stahlproduktion mit 68 % hat die Zementindustrie den zweithöchsten Verbrauch an Feuerfestprodukten mit 7 %. Die Refratechnik-Gruppe setzt jedoch 85  % ihrer Feuerfestprodukte in der Zementindustrie und nur 15 % in der Stahlindustrie ab, somit bietet sie viele speziell für die Zementindustrie entwickelte Produkte an. Gerade der zunehmende Einsatz von auf die Feuerfestauskleidung von recht aggressiv wirkenden Sekundärbrennstoffen stellt bedingt durch die Chlorbelastung eine Herausforderung bei der Entwicklung neuer Materialmischungen dar. Dabei sind die vorrangigen Entwicklungsziele: Erhöhung des Infiltrationswiderstandes, Reduzierung der Gasdurchlässigkeit, Beibehaltung der Elastizität – Temperaturwechselbeständigkeit und Erhöhung der Festigkeit. Abschließend schilderte Merker die Auswirkungen bestimmter Mineralien auf die Feuerfestauskleidung und ging auf das laufende Geschäft der Refratechnik-Gruppe sowie jüngst realisierte Projekte ein.


Am Nachmittag hatten die Studenten beim zweiten Teil der Werksbesichtigung Gelegenheit, die in den Vorträgen beschriebenen Anlagen detaillierter in Natura anzuschauen und sich ein Bild von Ausmaßen der maschinentechnischen Anlagen in einem Zementwerk zu machen. Natürlich war auch hier wieder ausreichend Zeit auf die vielen interessierten Fragen einzugehen.


Danach ging es für die Studenten per Bus wieder zurück nach Aachen. Mit einer Fülle neuer Eindrücke und Informationen gehen sie wieder ans Studium – und haben vielleicht eine neue Perspektive für ihre spätere Berufswahl gewonnen.


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